Warum verleihen Sie Silizium „Muskeln“?

Silizium, Muskeln

Das chemische Element Silizium ist Hauptbestandteil von Computerchips und bildete das Rückgrat für den technischen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte. Als Werkstoff kann es aber auch andere Funktionen erfüllen. Anfang der 1990er Jahre entdeckte man den quantenmechanischen Effekt, dass poröses Silizium Licht aussenden kann. Dadurch wurde das allgemeine Interesse an diesem Stoff geweckt und neue Forschungen begonnen.


Das Bild der TU Hamburg in Silizium geätzt

„Zunächst müssen wir poröses Silizium herstellen. Dafür ätzen wir mittels Flusssäure Poren in das harte Material. Es entwickelt so eine besonders große Oberfläche im Verhältnis zu seinem geringen Gewicht. Diese Nanoporen im Silizium statten wir mit dem künstlichen, umweltfreundlichen und leitfähigen Polymer Polypyrrol aus. Zusammen bildet der Hybrid aus beiden Komponenten ein Material, das sich gezielt verformen lässt. Die ganze Reaktion findet in einer Elektrolyt-Lösung statt, denn sie enthält Salze und andere Stoffe, die zum Reagieren benötigt werden. Wir nehmen dafür einfach ein kleines Glas mit 5 bis 10 Millilitern Inhalt. Steuern können wir den Vorgang, indem wir eine Spannung anlegen, wodurch die Salzionen in das Polymer wandern, der Stoff sich ausdehnt und sich anschließend wieder zusammenzieht. Das lässt sich beliebig oft wiederholen. So haben wir das Silizium sozusagen mit „Muskeln“ bestückt. Das Material lässt sich von ganz klein bis zu einer Größe von einigen Zentimetern skalieren. So kann man es sogar mit einer Pinzette aufnehmen.

Zudem benötigt unser Hybridmaterial in wässriger Umgebung nur sehr kleine elektrische Spannungen für die Umwandlung von elektrischen Signalen in mechanische Bewegung. Das macht es besonders vielversprechend für biomedizinische In-vivo-Anwendungen beim Menschen. Beispielsweise für die Medikamentenzufuhr oder das Aufspüren von besonderen Zelltypen wie Krebszellen ist die künstliche Muskelwirkung sehr spannend.


Der Physiker Manuel Brinker forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Werkstoffphysik und -technologie der TU Hamburg als Teil der Arbeitsgruppe „Physik von funktioneller Materie und hochauflösende Röntgenanalytik von Materialien“.
https://advances.sciencemag.org/content/6/40/eaba1483

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