Ein Kunststoff, der sich einfach auflöst

Weltweit fallen enorme Mengen an Plastikmüll an. Ein an der TU Hamburg entstandenes Start-up verspricht Abhilfe: Es hat einen vielfältig einsetzbaren Kunststoff entwickelt, der vollständig kompostierbar ist und dadurch die Natur nicht belastet.


traceless-Produkte sind Eislöffel, Trinkhalme und Verpackungen

Auf dem Schreibtisch von Anne Lamp, zwischen Tastatur, Notizzetteln und Fachartikeln, steht ein Bügeleisen. „Das brauchen wir für unsere Arbeit“, lacht sie. „Damit laminieren wir unseren Kunststoff als dünne Beschichtung auf Papier.“ Der Kunststoff, von dem die junge Verfahrenstechnikerin spricht, besitzt eine bemerkenswerte Eigenschaft: Er besteht aus Getreideresten und ist komplett biologisch abbaubar. Sollte er versehentlich in die Umwelt gelangen, wird er nach Wochen oder spätestens Monaten vollständig von Mikroben verputzt – und ist, anders als gewöhnliches Plastik, schlicht verschwunden.

Flüssigkeit wird mit der Spritze entnommen
Es entsteht gelbes Granulat

Begonnen hatte Lamp die Entwicklung nach ihrer Promotion an der TU Hamburg. Mittlerweile ist das Verfahren so weit, dass sie ein Patent angemeldet und ein Start-up namens „traceless“ gegründet hat. Dieses steht vor einer entscheidenden Phase: Bald geht eine Pilotanlage in Betrieb, die zeigen soll, wie sich der nachhaltige Kunststoff günstig und effizient herstellten lässt – eine wichtige Voraussetzung für den kommerziellen Erfolg. Mittlerweile besteht traceless aus einem vielseitigen Team und die Fortschritte sind beachtlich. Im Labor zeigt Anne Lamp auf einige gelbliche, folienartige Bögen, säuberlich aufgereiht auf dem Labortisch – eine aktuelle Messreihe zur Optimierung des Materials.

Es ist Papier, beschichtet mit dem traceless-Kunststoff. „An beschichtetem Papier, das bioabbaubar ist, besteht insbesondere für Lebensmittelverpackungen großes Interesse“, erklärt Lamp. „Deshalb arbeiten wir hier daran, die Eigenschaften dieser Beschichtungen stetig zu verbessern.“ Grundlage der Technik ist ein Granulat, das zu Folien, Beschichtungen oder auch zu soliden Kunststoffteilen verarbeitet werden kann. Der Rohstoff für dieses Granulat ist ein braunes Pulver, es sind Reste aus der Lebensmittelproduktion, zum Beispiel Getreiderückstände aus der Bier- und Stärkeherstellung.
Die Abbaubarkeit hat das traceless-Team ausgiebig getestet: So steckten sie ihren Kunststoff in einen gewöhnlichen Gartenkomposthaufen, zusammen mit einer konventionellen Plastiktüte. „Nach zwei Monaten war unser Material komplett weg, anders als die Tüte“, erzählt Lamp. „Die war völlig unverändert.“ Aber könnte sich der traceless-Kunststoff dann nicht auch unbeabsichtigt zersetzen, etwa wenn er monatelang in der Speisekammer liegt? „Nein, er verhält sich ähnlich wie Papier“, antwortet Lamp. „Das zersetzt sich ja auch nur unter Bedingungen, wie sie in der freien Natur herrschen.“ Trocken und geschützt gelagert kann es jahrhundertelang halten – was unzählige historische Dokumente beweisen.

https://www.traceless.eu


Anne Lamp ist CEO und Co-Founder des Start-ups traceless. Die promovierte Verfahrenstechnikerin ist Spezialistin für die Verwertung von Proteinen, die in landwirtschaftlichen Rückständen enthalten sind


Fotos: Eva Häberle

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