Norddeutsche Allianz für die Energiewende

Neben Instituten der TU Hamburg forschen am Norddeutschen Reallabor rund 50 Unternehmen, Institutionen und Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, auf kohlenstoffhaltige Rohstoffe zu verzichten, den Energieverbrauch zu senken und erneuerbare Energien zuverlässig zu nutzen


Das Stromnetz reagiert empfindlich

Auf dem geteilten Bildschirm der Energietechniker Christian Becker und Arne Speerforck ploppen mit einem Klick unzählige Tabs auf. Komplexe Grafiken, PowerPoint-Dateien und Dokumente reihen sich nahtlos aneinander. Auf den ersten Blick lässt sich bereits erahnen, dass der Weg zur Klimaneutralität kein leichter ist. Der Grund dafür liegt für die TU-Professoren auf der Hand: Strom, Wärme, Gas und Mobilität wurden bislang getrennt voneinander betrachtet und Lösungsansätze individuell zugeschnitten, ohne das große Ganze im Blick zu haben. „Eine Energiewende ist nur möglich, wenn wir verstehen, wie wir all diese Bereiche zusammenbringen können. Was wir brauchen, ist ein besseres und günstigeres Gesamtsystem, von dem alle profitieren. Daran arbeiten wir“, sagen die beiden Wissenschaftler.

Arne Speerforck und Christian Becker arbeiten an der Netzsicherheit

Die Stärke der beiden Energietechniker innerhalb des Norddeutschen Reallabors liegt im Bereich der integrierten Netzplanung, also dem Zusammenbringen des Strom-, Gas- und Wärmenetzes. „Konkret untersuchen wir Endenergiebedarfe und Prognosen sowie Daten über bereits bestehende Netzinfrastrukturen. Vereinfacht gesagt geht es uns darum, Aussagen treffen zu können, wer eigentlich wann wie viel Energie in welcher Form benötigt“, erklärt Christian Becker. Dafür vergleicht er gemeinsam mit Arne Speerforck verschiedene Möglichkeiten für einen koordinierten Netzausbau, also ob Strom direkt vor Ort erzeugt werden sollte oder eine Gas-, Wärme- oder Stromleitung sinnvoller ist. „Unser Stromnetz reagiert höchst empfindlich auf kleinste Veränderungen. Mit dem Voranschreiten der Energiewende hat sich gleichzeitig die Zahl stromerzeugender Anlagen erhöht, die Energie einspeisen. Wir haben es eben nicht mehr nur mit großen, trägen Kohle- oder Kernkraftwerken zu tun, sondern mit vielen kleinen Wind- und Sonnenkraftwerken“, erklärt Becker. Sind die Wetterbedingungen schlecht, speisen diese Anlagen keinen Ertrag in das Stromnetz ein. Das verändert die Frequenz im Netz. Doch diese müsse laut Becker in einem definierten und engen Bereich liegen, um Netzstabilität zu gewährleisten. Im schlimmsten Fall drohe sonst ein Blackout, also ein Ausfall der Stromversorgung, mit weitreichenden Folgen für ganz Europa. Wird nun der Stromsektor mit dem Wärme- und Gassektor gekoppelt, kann Leistung wieder verstärkt gespeichert und gepuffert werden. Das Stromnetz reagiert dann wieder wesentlich langsamer auf Störungen. „Am Ende geht es uns darum, die beste Lösung für uns Menschen zu entwickeln“, erklären die TU-Forschenden.

Christian Becker
Arne Speerforck

Wie eine Energiewende gelingen kann, soll das größte Verbundprojekt Deutschlands herausfinden: das Norddeutsche Reallabor. Bis 2035 sollen jährlich rund 500.000 Tonnen an CO2-Emissionen eingespart und diese langfristig um bis zu 75 Prozent gesenkt werden.


Fotos Isadora Tast, Shutterstock

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